ASTROSIM

Die wichtigsten Schritte und Ergebnisse

In der populären Diskussion um astronomische Kenntnisse und Praktiken der jungsteinzeitlichen Kulturen Mitteleuropas müssen Befürworter früher Himmelskulte einen Rückschlag zur Kenntnis nehmen: Nur in den wenigsten Kreisgrabenanlagen Niederösterreichs gibt es klare Hinweise auf astronomische Orientierung!

Horizontvermessung

Erstmals wurden die (natürlichen) Landschaftshorizonte an 33 KGA-Standorten genau vermessen und mit Hugin Panoramaphotos erstellt, um den jeweiligen Fernhorizont zu erfassen. Einige Iterationen waren nötig, um das Panorama genau der vermessenen Horizontlinie anzupassen.

Die Panoramen wurden auch mit künstlichen Horizontpanoramen verglichen, die mittels Viewfinder Panorama Software erstellt worden waren. Diese ermöglichten Korrekturen im Bereich der bewaldeten Horizonte. (Die halbtransparenten Bereiche stammen aus diesem Vergleich.) Die Übereinstimmung mit dem gemessenen Horizont ist im Fernbreich hervorragend, im Nahbereich (wenige hundert Meter) gab es noch Abweichungen wegen unzureichender Auflösung des digitalen Geländemodells. Zukünftige Verbesserungen (LIDAR DEM) werden hier die digitalen Möglichkeiten in den nächsten Jahren erweitern.

Das Diagramm hinter dem Panoramaphoto kombiniert ein azimutales Gradnetz (Himmelsrichtungen und Höhenangaben) mit den wichtigsen Spuren der Sonne, des Mondes und heller Sternen für das Jahr -4800, um die Wichtigkeit diverser Blickrichtungen im Zusammenhang mit KGA-Zugängen unmittelbar bewerten zu können. Für die Sonne sind dies Sonnwenden, Tag-/Nachtgleichen (an denen die Sonne den Himmelsäquator kreuzt) und Termine genau dazwischen (vergl. heutige Maria Lichtmeß 2. Februar, 1. Mai, Allerheiligen). Für den Mond sind die äußeren und inneren Extrempunkte des monatlichen Schwankungsbereichs (Deklinatinon der Großen und Kleinen Mondwenden) eingetragen. Diese Spuren (grünliche Mondbildchen) sind durch die Parallaxe etwas nach Süden verschoben, wobei die zwei Größen der Mondbildchen den Effekt von Erdnähe und -ferne verdeutlicht.

Azimute sind von Geographisch Nord gerechnet.

Mit Ausnahme der Umgebung der völlig zerstörten Anlage bei Pottenbrunn darf angenommen werden, daß zumindest die Fernhorizonte auch in der Jungsteinzeit einen ähnlichen Verlauf gezeigt haben. Daraus sollten sich unter Kenntnis der Azimute (Himmelsrichtungen) der Kreisgrabentore die zugehörigen Deklinationen astronomischer Objekte bestimmen, und aus diesen Daten letztlich die Himmelsobjekte selbst identifizieren lassen, die in den Toren auf- bzw. untergehend zu sehen gewesen wären.

Diese Panoramen sind über den Link "Horizontpanoramen" links oder hier zugänglich.

Update 2017-10-06: Nach der Verbannung von Java aus den meisten Browsern wurden die Panoramabilder mit dem MarziPano Tool neu aufbereitet.

Modellbau

Auf der Grundlage von für frühere Projekte mittels geophysikalischer Prospektion erstellten Magnetogrammen wurden nun im Projekt einfache virtuelle 3D-Modelle auf einem digitalen Geländemodell errichtet. Auch wenn heutige VR-Experten mit entsprechendem Zeitaufwand wesentlich realistischere und optisch ansprechendere Modelle bauen können, reichten diese Modelle für eine geometrische Analyse.

Softwareentwicklung

Einfache Modelle wurden mittels Google Sketchup erstellt, das mit Plugins erweitert wurde, sodaß die Modelle auch gleich analysiert werden konnten.

Für eine auch optisch ansprechende Simulation wurde das quelloffene Planetariumsprogramm Stellarium so adaptiert, daß eine Standortsuche und ein Rundgang innerhalb dieser Modelle möglich wurde und der Blick aus den Kreisgrabentoren in die umgebende Landschaft und den dahinterliegenden Himmel dargestellt und untersucht werden konnte. Während des Projekts flossen einige Verbesserungen bereits in die reguläre Distribution ein: Korrekturen der hochauflösenden old_style-Horizonte und die wichtigen atmosphärischen Effekte Refraktion und Extinktion. Das Scenery3D-Plugin für 3D-Vordergründe (entwickelt gemeinsam mit Studenten des Instituts für Computergraphik und Algorithmen der TU Wien) wurde mit Version 0.13.3 in die reguläre Distribution eingebunden. Es enthält neben einer Testszene für Entwicklungen auch ein zu Test- und Referenzzwecken gebautes Modell des Wiener Stergartens (dieses Modell finden Sie etwas vereinfacht auch in Google Earth bei Aktivierung der "alten" 3D-Gebäudeschicht).

Auswertung

Archäologisch ist die Funktion der Kreisgrabenanlagen nicht eindeutig geklärt, vor allem die übliche Fund-Leere im Inneren ist aber ein Hinweis auf die Funktion als Ort für zeitlich begrenzten Aufenthalt, wie sie für Versammlungen oder bestimmte Rituale angenommen werden darf.

Vermessungspläne boten sich dann oft an, die Himmelsrichtungen zu untersuchen, in welche die Eingänge hinzeigen, und eventuell mit bestimmten Sonnenaufgängen in Beziehung zu setzen. Ähnliche Vorstellungen hatten sich aus der Voruntersuchung ergeben, wobei klargestellt weden muß, daß allein für die Beobachtung der vermuteten Phänomene der aufwendige Bau einer Kreisgrabenanlage keinesfalls nötig ist, die häufig in den Medien zu findende Bezeichnung als "Observatorium" daher jedenfalls abzulehnen ist. Wir können derartige Beobachtungen lediglich als ein für die sonstige Funktion relevantes Element postulieren und wollten nun anhand von im digitalen Geländemodell virtuell errichteten 3D-Modellen prüfen, wie viele KGAs tatsächlich derartige Elemente haben.

Es zeigte sich nach anfänglicher Bestätigung einiger weniger "Treffer" jedoch, daß die weiteren in der Voruntersuchung als Kandidaten für Belege von Sternbeobachtungen oder früher anderswo kolportierte als Sonnen- bzw. Mondorientierungen geführte Richtungen doch nur in Ausnahmefällen mit dem neu vermessenen Landschaftshorizont in Einklang zu bringen waren. Hingegen ergab die Analyse der meist auf leicht abschüssigem Gelände errichteten Bauwerke im digitalen Geländemodell einen sehr deutlichen Zusammenhang zwischen Gelände-Orientierung und den Toren: oft zeigte sich ein "oberes" und "unteres" Tor, oder Tore genau auf der Höhenschichtlinie, ganz ohne Mond- oder Sternbeobachtung bemühen zu müssen.

Aber auch die Vorstellung eines völlig sichtgeschützten Versammlungsplatzes erscheint aus diesen Modellen noch einmal hinterfragenswert: aus der Mitte betrachtet hätte man in vielen KGAs auf jeden Fall über eine Palisade ins Tal sehen können, wenn diese im unteren Bereich nicht übertrieben hoch gewesen wäre. Ein Schnitt durch ein einfaches Modell zeigt die KGA Steinabrunn:

Rechts der Blick aus der Mitte zum Südwesttor, mit dem dahinterliegenden Hügelzug (erstellt mit Stellarium). Die Abdeckung des Horizonts würde eine Palisade von über 7m Höhe erfordern!

Wir wissen natürlich nichts mehr über die genaue Höhe der Palisaden (einige Modelle hier wollen die unbestimmte Höhe mit unterschiedlichen Pfostenhöhen andeuten), aber die im Boden verbliebenen Spuren lassen nicht auf ungleich tiefe Fundamentierung der Holzstämme schließen, wie sie für unterschiedliche Bauhöhen zu erwarten wäre. Somit ist der Sichtschutz im Nahebereich zwar gegeben, aber auch die Idee eines "künstlichen Horizonts" in der Form, daß oberhalb der Palisade nur Himmel zu sehen gewesen wäre, muß abgelehnt werden.

In Ausnahmefällen sind jedoch immer noch Orientierungen zu charakteristischen Sonnen-Orientierungen erkennbar. Das interessanteste Ergebnis liegt in der Anlage Pranhartsberg 2 vor, deren Nordwest-Torweg - möglicherweise sogar mit zwei Pfosten betont - genau in Richtung zum damaligen Sommersonnwend-Untergang weist.

Der gegenüberliegende Torweg weist in Richtung zum Wintersonnwend-Sonnenaufgang, scheint aber im Magnetogramm gestört, die Richtung ist daher nicht so genau bestimmbar. Während diese Tore dabei nicht der Geländeneigung folgen, stimmen charakteristische "Sonnenrichtungen" in einigen (auch nur wenigen) anderen KGAs mit der Hangrichtung wieder sehr nahe überein.

In Puch kann zwar das Ergebnis der Voruntersuchung bestätigt werden: die Orientierung der Tore zu Sonnenterminen genau zwischen Sonnwenden und Tag-/Nachtgleichen.

Mit demselben Modell können wir aber auch eine andere Hypothese illustrieren: Die Sichtlinie zwischen beiden Toren in Richtung Nordost zeigt zum Aufgang des Mondes an der "kleinen Mondwende":

Allerdings fällt diese Verbindungslinie der beiden Tore praktisch genau mit der Hangneigung zusammen, genau wie z.B. in Schletz oder Rosenburg. Ob und welche astronomische Erklärung man hier bevorzugt ist beinahe Ermessenssache, da bei anderen KGAs in unserer Region diese Richtungen nicht auffällig gehäuft zu bestätigen sind, aber mit Kenntnis der Hangneigung fügt sich auch diese KGA in die Reihe der rein-topographisch erklärbaren.

Das Südwest-Tor der KGA in Altruppersdorf wurde offenbar mit starken Pfosten betont. Es lag nach erster Einschätzung auf der flachen Karte recht nahe, aber nicht genau, in Richtung zum Wintersonnwend-Sonnenuntergang. Allerdings zeigt sich im 3D-Modell, daß der Schatten der untergehenden Sonne die geometrische Mitte (und damit den meist vermuteten Beobachtungsort) verfehlt. Ein allfälliger Beobachter hätte einige Schritte abseits der Mitte stehen müssen, um die untergehende Wintersonnwend-Sonne im Tor stehen zu sehen. Auch hier bietet sich aber die Erklärung über die Hangneigung an - dieses Tor führt bergab. Andererseits sieht man vom Zentrum auch dieser Anlage den Sonnenuntergang zur Sommersonnwende. In diesem (Nordwest-)Tor fallen also die astronomisch relevante Richtung und die Höhenschichtlinie wieder zusammen.

Schlußbemerkung

Trotz aller Bemühungen ließen sich den Kreisgrabenanlagen Niederösterreichs keine großen "astronomischen Geheimnisse" entlocken. Im Gegenteil, die Betrachtung und Rekonstruktion im digitalen Geländemodell führt sehr klar zur Erkenntnis, daß an den meisten Fundstellen die Tore der Hangneigung folgen, wobei diese gelegentlich mit astronomisch-kalendarisch signifikanten Richtungen abseits der Sonnwenden zusammenfallen, zu selten jedoch, um einen damals allgemein beachteten astronomischen oder kalendarischen Zweck gesichert hervorheben zu können. In vielen Anlagen erscheint eine Sonnenaufgangs-Orientierung eines Tors abseits der Sonnwenden (also z.B. zum Gründungstag) zumindest nicht völlig ausgeschlossen, aber Gegenbeispiele (Gauderndorf, Rosenburg) zeigen, daß dies keinesfalls für alle Anlagen angenommen werden darf. Eine Orientierung zu markanten Bergen am Horizont konnte hingegen ausgeschlossen werden.

Pranhartsberg 2 bildet eine klare Ausnahme, hier liegt eine sehr klare Sonnwend-Orientierung abseits der Hangorientierung vor, die auch durch die in dieser Region einmalige Architektur mit langen Torwegen eine Besonderheit darstellt.

Technologisch konnten wir aber einige neue Methoden für derartige Auswertungen entwickeln, die künftig für ähnliche Untersuchungen zum Einsatz kommen können.

Autor: Georg Zotti. Letzte Änderung: 2017-10-06